Donnerstag, 30. August 2007

Pampige Jungfrau lässt keinen ran

Nach der Überschreitung des Mönchs und dem Heldenepos an den Fiescherhörnern verbrachten wir wieder eine Nacht auf der Mönchsjochhütte. Es war die Nacht von Sonntag auf Montag und so war die Hütte nicht voll belegt.
Da es wie vorher beschrieben ziemlich eng in den Lagern war, wollte Chuck versuchen, etwas mehr Platz für uns herauszuleiern. Nach ca. 20 Minuten Smalltalk mit der Dame von der Lagervergabe und der Aufbietung seines vollen Charmes (er lobte sogar überschwänglich das Hüttenessen und das Frühstück), gelang es ihm, dafür zu sorgen, dass das dritte Lager neben uns frei bleiben würde. Und mal ehrlich, wer hätte bei dem schönen Schlafzimmerblick, den er hier um kurz nach 4:00 Uhr aufgesetzt hatte, „Nein“ sagen können?


Wir erfuhren auf der Hütte, dass am Tag zuvor ca. 60 Leute auf der Jungfrau, einem der bekanntesten Gipfel der Berner Alpen, gewesen waren. Diese Befürchtung hatten wir schon am Abend vorher gehegt uns so entschieden, erst die Fiescherhörner zu überschreiten und dann eben heute einen Versuch an der Jungfrau zu starten. So entgingen wir den Stauproblemen, die sicher den Anstieg ein wenig unangenehm gestalteten.


Ein Blick in den Himmel verhieß nichts Gutes. Es waren keine Sterne zu sehen. Die Luft war ziemlich warm und ein paar Schritte von der Hütte entfernt merkten wir, dass es heute wohl nicht so reibungslos laufen würde. Bei fast jedem Schritt matschte der Schnee unter unseren Füßen weg. Das Gehen wurde so viel anstrengender, da man ziemlich oft nach rechts und links in den Schnee wegrutschte. Die Firnverhältnisse waren fast schlimmer als am Nachmittag.


Die ersten Seilschaften (mit und ohne Bergführer) berieten sich eine Weile und drehten bald wieder um. Die Wolken sanken auf eine Höhe von 3600m und waren bald überall am Himmel. Wir hatten kein Alternativprogramm parat und matschten so erst einmal weiter durch den Schnee in Richtung Jungfrau. Die letzten hinter uns kehrten vor der oben eingezeichneten Querung durch den Firnhang um. Er war ziemlich weich und ein bisschen Schnee war schon hinabgerutscht.


Durch langsam aufkommendes Licht bekamen wir immer mehr vom schlechten Wetter um uns herum mit. Um 6:00 Uhr auf 3450m Höhe entschieden auch wir uns umzudrehen. Weiter oben würden wir nur in den Wolken stecken und der Firn wäre zu weich, was einen Versuch an den steilen Stellen sehr heikel machen würde.


Auf dem Rückweg über den Gletscher bekamen wir sogar noch ein paar Regentropfen ab. Regen auf einer Höhe von 3300m ist schon ein wenig komisch. Eigentlich hätte es Schnee sein sollen. Ein paar Tage zuvor lag die Schneefallgrenze jedenfalls noch bei 2000m.


Das Wetter hätte noch bis einschließlich Dienstag gut sein sollen. Es hatte sich aber umentschieden und auch im Tal regnete es.
Keine andere Seilschaft hat an diesem Tag die Jungfrau bestiegen, obwohl nach uns noch eine Mannschaft von fast 10 Leuten zum Berg stapfte. Diese sahen wir aber um kurz nach 8:00 Uhr wieder zurücktrotten, da die Verhältnisse einfach zu schlecht waren.

Überschreitung Fiescherhörner (Groß F. 4049m, Hinter F. 4025m)

Gegen 21:00 Uhr hatten wir auf der Hütte alles für den nächsten Tag vorbereitet. Wir hatten unsere Trinksysteme befüllt und die Rucksäcke soweit möglich für den nächsten Tag gepackt. Die über 120 Schlafplätze der Hütte waren, wie schon erwähnt, alle belegt. Je zwei Personen teilten sich in den Lagern eine Matratze, die ca. einen Meter breit war. Ob wohl 1978, als die Hütte gebaut wurde, die Bergsteiger alle noch kleiner und dünner waren? Früher waren die Menschen ja ein bisschen kleiner, aber ich dachte, das wäre schon länger her gewesen.


Auf dem obigen Foto sieht man einen fast ausgeschlafenen und um 3:20 Uhr aufgestandenen Bergsteiger, der schon seit mehr als einer Stunde über den Firn gelaufen ist und sich nun auf seinem Stock abstützen muss. Das arme Kerlchen war während der kurzen Nacht mit über 10 anderen rauen Bergsteigergesellen in einem Matratzenlager eingepfercht. Diese gaben die absonderlichsten Geräusche von sich, knisterten und scharrten in ihren Rucksäcken herum, sprangen auf und mussten aufs Klo oder unterhielten sich noch leise im durchdringenden Flüsterton mit ihrem Partner. Unser lustiger, an der Stirn blinkender Freund hatte es dennoch geschafft eine Weile zu schlafen und war mit seinem Seilpartner um 4:11 Uhr in die fast sternenklare Nacht aufgebrochen.


Das Ziel unserer beiden Helden waren die Fiescherhörner. Als erstes wollten sie das Groß Fiescherhorn erklimmen, das wir nun oberhalb erkennen können. Die beiden trotteten angeseilt durch eine gefrorene Märchenlandschaft aus Schnee und Eis. Ihr Mut und ihre Tatkraft wurden bis zum nächsten Foto schon einige Male durch gefährliche Gletscherspalten auf die Probe gestellt. Diese Spalten verstecken sich gerne unter losem Schnee, von dem es seit den Unwettern der letzten Tage einigen gab. Dort lauern sie auf arglose Bergsteiger und warten ihre Chance ab, diese zu verschlingen.


Unsere beiden Kameraden, von denen die Geschichte handelt, waren jedoch erfahren und schon so mancher Gletscherspalte ausgewichen. Falls sie doch einmal von einer überrascht werden sollten, hatten sie vorgesorgt und waren zum Kämpfen bereit. Es verband sie ein unheimlich starkes Band, welches einer Kraft von 510 daN standhalten konnte. In der Mitte dieses Bandes (in ihrer Sprache: „Halbseil“) hatten die beiden einen magischen Knoten platziert (in ihrer Sprache: „Mach einfach ein paar Knoten rein, bis es dick genug aussieht.“). Würde nun einer der beiden von einer Spalte angegriffen werden, würde diese ihn hinab in ihren gierigen Schlund ziehen. Das Seil zwischen den beiden würde sich in den Rand der Spalte fressen, wie eine ausgehungerte Maus in ein Stück Sahnetorte. Wenn der dicke Knoten den Rand der Spalte erreicht, wäre es so, als ob eine Katze die Maus am Schwanz packen würde. Eine Maus aus einem Stück Sahnetorte zu ziehen ist sicher einfacher, als den Seilpartner aus einer Spalte, aber ich glaube, so kann man es ganz gut verdeutlichen.


Ein eisiger Wind umfing unsere Freunde, als sie sich die Hänge hinauf zum Grat schafften, der sie zum Gipfel leiten sollte. Sie hofften auf ein baldiges Aufgehen der Sonne, die sie wärmen und beschützen würde. Um sie herum sendete die Sonne schon ihre Vorboten aus und zauberte gewaltige Farb- und Lichtspiele an den Himmel. Es sah aus, als ob der jährliche Magier-Wettbewerb im Wolkenfärben ausgetragen werden würde. Aber ich glaube nicht, dass es so war, denn dann sind normalerweise viel mehr Fotografen zugegen, die ihre Werke später in den Ansichtskartenläden im Tal anpreisen.


Es hatte die letzten Tage viel geschneit. Bei einem Gespräch am Lagerfeuer den Abend zuvor hatten unsere Protagonisten erfahren, dass sich seit den Schneefällen schon andere an den Fiescherhörnern versucht hatten, aber ihre Banner wegen des schlechten Firns streichen und zurückkehren mussten.


Nun denn, die Helden der Stunde waren nicht die einzigen, die sich von den Fiescherhörnern keine aufsetzen lassen wollten. Vor ihnen war die Spur von zwei weiteren unerschrockenen Recken zu sehen. Einer der beiden war übrigens ein „Local“, das ist ein kleines Volk von sehr guten und unerschrockenen Bergsteigern mit fast unbegrenzter Kondition. Dieser „Local“ hatte am Tag zuvor als Erster (und bis auf seine möglichen Partner) einziger den Mönch über den „Nollen“ bestiegen. Eine Tour, von der unseren beiden Helden wegen des schlechten Firns mehrfach abgeraten worden war.


Der Spur folgend erkletterten sie die steilen Firnpassagen und luftigen Grate, nur um ab und zu einen Blick auf das atemberaubende Wolkenspiel zu werfen.


Vor dem Erreichen des letzten Felsstückes zum Gipfel wurde es jedoch noch einmal richtig ernst. Ehrfurchtsvoll blickten unsere Freunde auf ein sehr steiles Felsstück, welches eine dicke Schneeauflage hatte. Sie sahen die tiefen Spuren ihrer Vorgänger, die den Schnee weit herunter getreten hatten. Es war fraglich, ob die pulverige, lockere Auflage sie noch halten würde. Also begannen sie, mit ausgefeilter Knoten- und Seiltechnik (Halbmastwurf mit Stand an einer langen Bandschlinge um einen Block) den Partner zu sichern. Die Situation verschärfte sich noch einmal, als das Seil zu Ende war. Doch der Sichernde konnte dieses Problem lösen, indem er aus dem großen blauen Beutel an seinem Rücken weitere Meter Seil hervorbrachte. Sie waren gerettet und schafften die letzen Meter.

Und… ja, da sieht man ihn: Held 1 mit vor Stolz geschwellter Brust auf dem Gipfel des sagenumwobenen Groß Fiescherhorns.


Um 8:18 Uhr hatte auch sein Freund und Gefährte Held 2 diesen 4048,8m hoch liegenden Punkt erreicht. Sie bereiteten dort zum Feiern ihres Erfolgs eine köstliche Mahlzeit zu, welche sie mit Genuss in sich aufnahmen. In ihrer Sprache trägt diese Speise den Namen „Müsliriegel“ und es gibt Gerüchte, dass diese nach ein paar Touren den Bergsteigern zum Hals heraushängen.


Ihre Kräfte waren nach dieser kurzen Stärkung und dem Gipfelerfolg wieder von neuem erwacht. Wegen des eisigen Windes machten sie sich bald auf, den Gipfel, welchen sie über den NW-Grat erreicht hatten, über den Grat der Morgen- und Mittagssonne (SO-Grat) wieder zu verlassen. Damit war ihnen die Überschreitung des Groß Fiescherhorns gelungen.


Auf dem Weg zum Hinter Fiescherhorn zeigte der Gott des Windes sich noch einmal in seiner vollen Stärke. Aufgewirbelte Eiskristalle jagte er über den Firn. Dieser hatte sich noch nicht wieder richtig gesetzt, sodass unsere Freunde auf ihrem Weg durch die Flanke des Hinter Fiescherhorns teilweise bis zu den Knien versanken. Der Windgott wollte es ihnen nicht leicht machen. Er zerrte an ihrer Kleidung und wirbelte ihnen Schnee wie aus einem Sandstrahlgebläse ins Gesicht. Sofort verschwanden ihre Spuren wieder und würden auf dem Rückweg nicht mehr zu sehen sein.


Unsere Helden erreichten den Grat, welcher über Firn und einige Felsen zum Gipfel führte. Der Windgott wollte es ihnen nicht so einfach machen und versuchte sie vom Grat zu heben. Nur wer sich würdig erweisen würde, sollte den Gipfel erreichen. Des Öfteren mussten die Gefährten sich niederkauern und abstützen, um in den starken Böen nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie blieben hart und bewiesen Willenskraft, die sie, wie ober- und unterhalb zu sehen, auch noch auf den Gipfel des Hinter Fiescherhorns in 4025m Höhe brachte.


Held 1 lutscht in dem obigen Bild übrigens nicht an seinem Daumen. Das machen Helden nicht. Er trinkt aus seinem fein gearbeiteten Trinksystem von Camelbak mit abstellbarem Trinkventil, das man bei einem bekannten Händler in Hildesheim erstehen kann. Man findet diesen Händler, wenn man sich dort den Weg zur Bergsportzentrale weisen lässt.


Nach der erfolgreichen Besteigung zweier 4000er an einem Tag bei widrigen Verhältnissen, stiegen die erschöpften Gefährten vom Fieschersattel auf das Ewigschneefeld ab. Dieser Abstieg erforderte noch einmal viel Konzentration, da er sich durch eine relativ steile Firnflanke mit einigen Felsen zog. Das Ewigschneefeld trägt seinen Namen übrigens daher, dass es jedem Menschen, der es hinaufläuft, ewig vorkommt, bis er sein Ende erreicht. Der Wind hatte jedoch nachgelassen. Zwei Seilschaften hatten heute seiner Macht widerstanden und die Aufstiege geschafft. Eine dritte hatten er und der schlechte Firn abgeschreckt und zur Umkehr bewogen. Er hatte seine Arbeit getan und brauchte die siegreichen Helden nicht weiter zu verfolgen.
Sie bewiesen abermals Stärke und konnten schon innerhalb von zwei Stunden dem ewigen Schneefeld entkommen. Um 14:00 Uhr, fast zehn Stunden nach ihrem Aufbruch, fanden sie sich wieder an der Hütte ein und versuchten ein wenig Schlaf nachzuholen, da es auch morgen wieder ein neues Abenteuer zu bestreiten gab.

Dienstag, 28. August 2007

Mönch 4107m – Überschreitung (SW-Grat, SO-Grat)

Wie im vorhergehenden Bericht angesprochen, war unsere Nacht kurz und endete um 5:00 Uhr morgens mit einem schnellen Frühstück und einer Autofahrt zum Bahnhof Grindelwald Grund. Von hier aus hatten wir schon einmal eine Bahnfahrt zur Kleinen Scheidegg unternommen (siehe Bericht Erste Woche). Dieses Mal wollten wir noch etwas weiter nach oben zum Jungfraujoch. Lange hatten wir auf gutes Wetter und passende Verhältnisse gewartet. Die Verhältnisse waren nicht so ganz passend für alle unsere Pläne, aber es zog uns einfach in die hohen Berge. Wir wollten endlich wieder Hochtouren unternehmen.


Auf dem Tagesplan stand der Mönch. Normalerweise startet man auf einen so hohen Berg nicht so spät, wie wir es dieses Mal taten. Aber wir hatten davon gehört, dass es möglich sei, mit der ersten Bahn zum Jungfraujoch zu fahren und dann immer noch den Mönch zu besteigen. Wie man am obigen Foto sehen kann, waren wir nicht die einzigen Bergsteiger dort.


Gegen 9:00 Uhr verließen wir den Stollen der Jungfraubahn, welcher durch die Eiger-Nordwand gebohrt wurde, auf das Jungfraujoch. Im Bild oben sieht man den Platz, an dem wir uns die Ausrüstung anlegten und ich mich beinahe hingelegt hätte, da ich auf dem gefrorenen Wasser auf dem Holz ausgerutscht bin.


Es folgt ein Bild vom Mönch (oben) und eine kurze Beschreibung unserer Route: links rauf, Gipfelfoto, rechts runter.


So ganz einfach war es dann doch nicht. Als erstes mussten wir einen kurzen Firnhang zu den Felsen hinauf, den man im obigen Bild links noch sehen kann. Die erste felsige Passage (zu sehen im unteren Bild) war ziemlich bröselig und wir stiegen durch das steile Geröll hinauf zum Grat.


Die Felsqualität war oben viel besser und wir hielten uns eine Weile entlang des Gratrückens auf, um ihm folgend weiter nach oben zu gelangen.


Eine der steilsten Felspassagen ist in den umschließenden Bildern zu sehen. Im oberen erkennt man auf einem Drittel Höhe eine sichernde Person und noch zwei weitere am Kopf des Turms.


Der Fels wechselte sich noch ein paar Mal mit Firn ab, wir konnten jedoch die meiste Zeit gemeinsam am Seil gehen, da es nicht mehr so steil war.


Man sieht im folgenden Bild die letzte längere Etappe zum Gipfel. Nachdem die Felsen überwunden waren, ging der Grat in Firn über und wir querten den Rücken unterhalb der Gratkante.


Es gibt mehrere Wege auf den Mönch. Zwei davon sind die beiden Grate, die wir hinauf- bzw. hinuntergingen. Der SO-Grat ist der Normalweg, also die Route, die am einfachsten und am meisten begangen ist.


Mit uns am SW-Grat waren noch drei Seilschaften. Es handelte sich um den ersten Tag nach den vielen Schneefällen, an dem wieder jemand diesen Aufstieg wählte.


Wir merkten natürlich auch, warum das der Fall war. Durch den vielen neuen Schnee, der sich noch nicht richtig verdichtet hatte, sank man teilweise ziemlich tief in weiches Pulver ein. Wie man sehen kann, sind auf den beiden obigen Bildern unsere Spuren viel tiefer als auf dem unteren Bild. Dort gab es festen Firn, in den man nicht einbrach. Wenn der Untergrund zu pulverig und lose ist, wird zum einen der Aufstieg erschwert, da man mehr Kraft aufwenden muss. Zum anderen können steile Passagen in solch losen Schnee ziemlich heikel werden, wenn dieser nicht genug Halt bietet.


Der Schnee bot uns genug Halt und wir erreichten den Gipfel um 13:02 Uhr.


Nach ein paar Gipfelfotos wandten wir uns dem SO-Grat zu, über den wir absteigen wollten. Schon vorher hatten wir gesehen, dass dort einiges los war. An mehreren Teilen des Grates sah man die Leute Schlangestehen. Es war Wochenende und bis jetzt waren die Verhältnisse ziemlich schlecht gewesen. Bei Aussichten auf ein paar Tage sicheres Wetter und bessere Verhältnisse waren viele Leute aufgebrochen.


Auf dem Abstieg gab es ein paar ziemlich schmale Firngrate zu überwinden. Während wir auf dem Rückweg waren, stiegen immer noch Leute hinauf, die wir irgendwie passieren lassen mussten. Zwei bis drei Mal stiegen wir also zwei Schritte in die steile Flanke ab, um die anderen passieren zu lassen.
Die Firnqualität hatte schon ein wenig abgenommen. Das bedeutet, dass der Schnee matschiger wurde und nicht mehr so griffig war, die Füße also ein wenig wegrutschen konnten. Trotzdem keuchten sich noch die ein oder anderen an uns vorbei, von denen wir uns nicht ganz sicher waren, dass sie um diese Uhrzeit mit der Kondition und wahrscheinlich wenig Erfahrung unterwegs sein sollten.


Wir erreichten nach einem Abstieg, der gar nicht so ohne war, um kurz nach 15:00 Uhr die Mönchsjochhütte und waren ziemlich kaputt. Nach einer kleinen Schlafpause begaben wir uns in die schön warm geheizte Gaststube der Hütte. Für diese Nacht war die Hütte mit ca. 120 Menschen voll belegt.


Bei einem heißen Tee und einem Stück selbstgebackenem Nusskuchen, der uns auf der Überschreitung in Chucks Rucksack begleitet hatte, warteten wir auf das Abendessen.

Siebenschläfer (incl. Engeliweg) – 14SL max. 6b+

Es war der 24. August und das nicht erst seit wir aufgewacht waren, sondern schon eine Weile bevor wir schlafen gingen. Wir hatten noch ein wenig in meinen Geburtstag hineingefeiert.


Der Titel dieses Berichts lautet Siebenschläfer. Das sollte aber eigentlich nicht bedeuten, dass wir nur bis 7:00 Uhr schliefen. Als mich Chuck um 7:00 Uhr weckte, war mir das jedenfalls eindeutig zu früh. Wir hatten am Abend zuvor beschlossen, bei gutem Wetter eine kürzere Tour zu klettern. Diesem Entschluss waren Überlegungen bezüglich längerer Tagestouren vorangegangen, die uns beide reizten, aber ein frühes Aufstehen und eine späte Rückkehr bedeutet hätten. Chuck meinte, da wir ja nun um 7:00 Uhr schon wach wären, könnten wir an meinem Geburtstag ja auch eher so ein „Highlight“ klettern.
Ich war jedoch viel zu müde und wollte die abends beschlossene Entscheidung nicht im Halbschlaf über den Haufen werden. Besonders im Hinblick auf die nächsten Tage, an denen wir jeweils um 5:00 Uhr oder 3:20 Uhr aufstehen müssten.


Nach weiteren Stunden Schlaf (genau drei Stück, da mir dann Sebastian telefonisch gratulierte) und einem gemütlichen Frühstück machten wir uns auf den Weg zum Grimselpass. Kurz hinter der Staumauer des Grimselsees wollten wir eine 6b mit fünf Seillängen klettern. Wir überquerten die Staumauer und blickten auf die Felsen des Sektors Marée. Das Einzige, was wir sehen konnten, war ganz schön viel Wasser ungefähr dort wo die Routen beginnen sollten. Wir guckten aus näherer Entfernung und überlegten viele Varianten, wie man dort wohl klettern sollte. Schließlich sahen wir keine Möglichkeit, zum Einstieg zu gelangen und versuchten im Grimselhospiz, einem Hotel oberhalb des Sees, Informationen zu bekommen. Wir erfuhren, dass das Wasser im Sommer eben den höchsten Stand erreicht und so die Touren wohl nicht möglich wären.


Ein bisschen enttäuscht suchten wir nach Alternativen. Eine davon wäre die zweite schwerere Route am Bügeleisen zu klettern (siehe Bericht Bügeleisen). Die zweite Alternative, die eigentlich ziemlich bescheuert war, bestand darin, die Route Siebenschläfer zu klettern. Bescheuert war diese Variante, da es schon gegen 14:00 Uhr war und die Route bei ihrer Länge von ca. 450m einige schwere Seillängen zu bieten hat.


Man muss eigentlich schon ein bisschen dumm sein, um eine solche Aktion zu dieser Tageszeit zu starten.
Zu unserer Verteidigung muss man sagen, dass die Route überaus gut mit Bohrhaken abgesichert ist und man sich aus jeder Seillänge abseilen kann. Außerdem hatte ich eine Stirnlampe dabei, damit der Rückzug im Dunkeln gelingen würde. Eine solche „Panikaktion“ (bei der objektiv nicht viel schief gehen konnte) reizte uns beide ziemlich, da wir uns ja gerade am Stausee schon vor dem ersten Felskontakt geschlagen geben mussten.


Man klettert zuerst den Engeliweg (5SL, max. 5b) und startet dann in den Siebenschläfer. Für die ersten vier Seillängen, die wir gegen 14:30 Uhr begannen „hoch zu rennen“, benötigten wir 35 Minuten und stießen dann auf eine Seilschaft vor uns. Diese wusste nicht so genau, wo sie herumkletterte und der Vorsteiger ächzte und stöhnte sich technisch von Haken zu Haken die erste Seillänge von Siebenschläfer (eine 6b) hinauf. Wir sahen langsam unsere Felle davonschwimmen, da wir ja in den verbleibenden Stunden vor dem Sonnenuntergang noch viel vorhatten und nun ausgebremst wurden. Die beiden vor uns nahmen jedoch einen Abzweig nach rechts und wir konnten passieren. Die Geschwindigkeit der ersten Seillängen war leider vorbei, da wir nun in schwererem Gelände unterwegs waren. Im oberen Bild sieht man Chuck in einer abdrängenden, steilen Rissverschneidung klettern, die mit 6b+ eine der beiden Schlüsselseillängen ist.


Nach dieser Passage, in der man neben einer guten Technik auch noch viel Kraft braucht, schlossen sich hauptsächlich Seillängen an, in denen wir zeigen mussten, wie viel Reibungskletterei wir während unseres Aufenthalts schon gelernt hatten.
Im oberen Bild fotografiere ich in eine 6a Querung zurück, in der man sich über wenig Struktur auf Leisten schwingen muss, die ziemlich hoch liegen.


In der später folgenden 6b+ musste man wieder seinen Körper in sehr hoch liegende Felsmulden schwingen und dort anpressen, um über fast strukturlose Wandteile hinwegzugelangen. Leider konnten wir hier eine sehr steile Reibungsstelle nicht überwinden und hatten sie A0 (1 p.a.) zu klettern. Das Gummi an den Kletterschuhen musste an diesem Tag sehr leiden und wirkte fast ein bisschen abgefetzt.


Mit der benötigten Gesamtzeit für die Route können wir jedoch ziemlich zufrieden sein. Dieses Foto wurde am Ende der letzen Seillänge um 19:00 Uhr aufgenommen. Während des Abseilens ging die Sonne unter und als wir auf dem Abstieg zur sicheren Straße waren, hatten wir schon zu wenig Licht, um stolper- bzw. rutschfrei dem schmalen Pfad durchs Dickicht zu folgen.
Bis wir alles für den nächsten Tag vorbereitet hatten, war es schon wieder nach Mitternacht.

Erkundung am Scheideggwetterhorn

Das Wetter war besser, als der Wetterbericht vorausgesagt hatte und so entschlossen wir uns, ein bisschen in die mögliche Zukunft zu investieren, und eine weitere Tour vorzubereiten. Diese Vorbereitung sollte sich erst einmal darauf beschränken, Informationen einzuholen, da wir uns noch nicht ganz sicher über eine mögliche Durchführung waren. Es handelt sich um eine Kletterei, die in unserem Führer unter anderem so beschrieben wird:

„Die 1200m hohe NW-Wand des Scheideggwetterhorns zählt zu den steilsten und schwierigsten Westalpenwänden… Die vollständige Begehung des Westpfeilers ist eine der anspruchsvollsten alpinen Freikletterrouten der Alpen. Für den Abstieg über den Gutzgletscher ist eine reduzierte Eisausrüstung notwendig.“

Man kann den Pfeiler auf dem folgenden Bild bewundern. Die anspruchsvolle Kletterei beginnt ungefähr auf einem Viertel der sichtbaren Wandhöhe an der rechten Seite und zieht sich dann schräg nach links der Kante folgend.


Die Route ist alpin abgesichert, man findet also nur selten geschlagenes Hakenmaterial und gar kein gebohrtes. Die Höhe der Wand von 1200m legt schon die Vermutung nahe, die der Führer so beschreibt: „Es muss mit einem Biwak gerechnet werden.“
Wir hatten uns schon bei der einen oder anderen Gelegenheit nach dieser Route erkundigt und unterschiedliche Antworten erhalten. In Interlaken trafen wir in einem Bergsportladen jemanden, der die Tour schon zweimal gemacht hatte. Er erklärte uns, man könne den Pfeiler an einem Tag durchsteigen und abends noch die Hütte erreichen: „Die Locals machen das alle an einem Tag.“ Aber als wir uns über das Wetter unterhielten, erzählter er uns auch noch von „Locals“, die gerade an irgendwelche Freikletterprojekte in der Nordwand des Eigers arbeiteten. Wenn das die gleichen „Locals“ sind, dann ist das schon ein anderes Kaliber.


In einem Sportladen in Meiringen hatten wir auch jemanden angesprochen, der uns die Telefonnummer eines befreundeten Bergführers gab, welcher uns Auskunft geben können sollte. Als wir wieder in dem Laden vorbeischauten, war er erleichtert zu hören, dass wir die Route noch nicht probiert hatten. Er hatte nämlich mit seinem Freund telefoniert und dieser hatte ihm von zwei weiteren Bergführern und deren Versuch an der Kante erzählt. Anscheinend waren die beiden Bergführer auch „Locals“, denn sie hatten die Tour ohne Biwak geplant. Leider gab es Schwierigkeiten mit der Findung der Route, was bei wenig vorhandenem Material und unübersichtlichem Gelände schnell passieren kann. Jedenfalls brauchten die beiden entgegen ihrer Pläne ein Biwak, was ungeplant schon sehr unangenehm sein kann.


Wir wollten uns erst einmal vor Ort alles ein wenig näher ansehen, bevor wir eine Entscheidung treffen würden. Man startet von der Großen Scheidegg aus. Einer Art Pass, der Meiringen mit Grindelwald verbindet. Mit dem Auto muss man außen um die Berge herumfahren, da die Straße nur für den Busverkehr freigegeben ist. Mit dem frühesten Postbus starteten wir von Meiringen aus zu unserem Ziel. Die erste Überraschung erlebten wir beim Fahrpreis. Hin- und Rückfahrt sollten für uns beide 128 Franken, also über 80 Euro kosten.


Von der Bushaltestelle balancierten wir durch nasses Gras über einen Hügelrücken zur Wand. Die ersten 150 Meter der Wand erklettert man relativ zentral, bevor man nach rechts zur Kante quert. Es handelt sich um 3er und 4er Gelände, das mit alten Seilen gesichert ist. Der Fels war noch nass und manche Stellen kamen uns ziemlich hart vor. Aus diesem Grund sicherten wir uns von Stand zu Stand. Einen dieser Stände sieht man im obigen Bild. Man verspürt wenig Lust, seine Qualität durch einen Sturz zu prüfen.
Als wir mit den ersten Metern Kletterei starteten, war es schon Vormittag und unsere Hände brannten vor Kälte an dem Fels. Wenn wir diese Tour versuchen würden, müssten wir diese Passagen jedoch entweder im Dunkeln mit der Stirnlampe oder mit dem ersten Sonnenlicht erklettern. Da wäre es sicher noch viel kälter.


Während wir auf einem großen Felsband nach rechts querten, wurde es Mittag und die Sonne kam herum. Auf dem obigen Bild sieht man im Hintergrund den Eiger, an dem noch eine ganze Menge Schnee klebt. Der uns zugewandte Grat ist normalerweise ein reiner Felsgrat, mit dem wir schon ein wenig geliebäugelt hatten. Bei solchen Schneemengen ist er jedoch fast unmöglich zu begehen und sehr heikel.


Obwohl im unteren Bereich der Wand am Scheideggwetterhorn kein Schnee mehr lag, empfanden wir unseren Weg auch schon als ein bisschen heikel. Im oberen Bild sieht man eine nicht so steile Stelle, an der wie überall eine Menge loses Geröll auf dem Boden liegt. Steinmänner zur Orientierung fanden wir äußerst selten und wir brauchten schon eine ganze Weile, um voranzukommen. Chuck hatte am Anfang noch gemeint, wir könnten ja vielleicht noch in die erste Seillänge einsteigen. Damit meinte er die erste Seillänge am Pfeiler. Diese sollten wir laut Führer so erreichen:

- die ersten 150m hoch (hatten wir gemacht, mit Sicherung, 3SL)
- 300m auf dem Band queren (siehe Fotos, 300m können lang sein)
- 50m absteigen (hatten wir auch gefunden)
- zum Fuß einer Verschneidung (durch steileres unübersichtliches Gelände)
- auf einem abschüssigen Band zur Kante queren

Den Fußpunkt der Verschneidung erreichten wir nicht mehr, da zu dem Zeitpunkt schon drei Stunden um waren und wir wieder zurück mussten, um den letzten Postbus zu erwischen.
Wir hatten nicht erwartet, so lange für die „ersten Meter“ vor den eigentlichen Schwierigkeiten zu brauchen. Das Gelände war unwegsam und eine Fortbewegung darin forderte ziemlich viel Konzentration sowie ein gutes Auge für den Weg. So mussten wir merken, dass wir dieses Stück der Tour schon unterschätzt hatten und uns ernsthaft fragen, ob wir dieser Tour überhaupt gewachsen sind.