Donnerstag, 2. August 2007

Doldenhorn 3643m – Galletgrat

Nachdem wir den Klettersteig gemeistert hatten und sogar noch vor unserem Zeitplan lagen, fuhren wir zur Seilbahn, um wieder einmal zum Oeschinensee aufzufahren. Die Schlange vor dem Schalter reichte fast bis zur Straße, und wir kamen nicht recht voran. Nach einer Weile Anstehen entschieden wir uns, Zeit und je 14 Franken zu sparen, indem wir die ca. 400 Höhenmeter per pedes zurücklegen würden.
Einen Teil des Weges zur Hütte hatten wir schon in der ersten Woche bei unserer Wanderung um den See zurückgelegt. Dieses Mal hatten wir jedoch einiges mehr an Gepäck dabei.


Auf dem Weg zur Fründenhütte, die auf 2562m liegt, kamen uns eine Menge Leute entgegen, die entweder nur ein Stück hinaufgegangen waren, oder einfach als Tagestour „Fründenhütte und zurück“ geplant hatten. Vor über zwei Jahren hatten Chuck und ich den Weg schon einmal zurückgelegt, als wir Pfingsten 2005 unseren ersten Versuch am Doldenhorn wegen zu viel Schnee abbrechen mussten. Bei den damaligen Verhältnissen war der Weg noch um einiges beschwerlicher, und wir trafen damals oben auf der Hütte nur den Hüttenwirt an, der kurz vor uns mit dem Helikopter dort eingetroffen war.
Gegen 15:20 Uhr erreichten wir die Hütte und wunderten uns, dass noch nicht viel los war. Am Wochenende vorher hatte ich auf der Hütte angerufen und erfahren, dass alle 90 Plätze belegt waren.

Vor der Hütte mit Blick auf das Doldenhorn.

Nach dem dreigängigen Hüttenessen saßen wir noch ein wenig bei bestem Wetter in der Sonne vor der Hütte und bezogen gegen 21:00 Uhr unsere Lager. Wir hatten das Glück, dass nicht viel auf der Hütte los war, so hatten wir nicht zu befürchten, nachts kostbares Schlafterritorium an die drängelnden Mitschläfer zu verlieren, wie es sonst leider oft üblich ist.
Dafür fanden durch unser Lager häufiger nächtliche Wanderungen von anderen Bergsteigern, die unseren leichten Schlaf in einen leichten Dämmerzustand verwandelten, statt. Auf Hütten liegt man meistens große Teile der Nacht wach (jedenfalls hat man das Gefühl). Zum einen hat das sicher etwas mit den Geräuschen, der Hitze und dem Gedrängel im Matratzenlager zu tun, zum anderen aber auch mit der Anspannung vor der Tour, die am nächsten Morgen, der immer näher rückt, eigentlich vollste Erholung verlangt.

Gegen 4:00 Uhr morgens verkündete der Hüttenwirt das Ende der Nacht und ein wartendes Frühstück im Hüttenraum. Unüblich für Chuck und mich starteten wir trotz des sehr reichhaltigen Frühstückbüffets schon voll angerödelt (alle Ausrüstung angelegt) gegen 4:45 Uhr in einen klaren und mondhellen Morgen.


Als die Sonne gegen 6:00 Uhr langsam über die Berge kroch, hatten wir schon einiges hinter uns. Auf einem Gletscher gleich hinter der Hütte wählten wir denselben Weg wie vor zwei Jahren. Dieses Mal brachte er uns etwas zu hoch zu den Felsen, sodass wir die Steigeisen anlegen mussten, um durch blankes, von kleinen Steinchen besetztes Eis ein paar Meter wieder abzusteigen. Hinter uns waren noch zwei Seilschaften, von der die eine durch einen Bergführer geführt wurde. Ziemlich weit vor uns waren zwei Amerikaner am Berg, die ein ganz schönes Tempo vorlegten.


Beim Anlegen der Steigeisen überholte uns die Führerseilschaft, die im nächsten Bild zu sehen ist. Über ihr erkennt man den oberen Teil unserer Route, die von links über den sonnenbeschienenen Felsturm nach rechts über den Firngrat zum Gipfel zieht.


Bei den ersten steileren Felspassagen setzten wir uns wieder vor die andere Seilschaft. Der Fels war überall sehr brüchig, und man konnte es trotz äußerster Vorsicht nicht ganz verhindern, dass ab und zu ein paar Brocken den Weg nach unten einschlugen.


Steile Passagen waren teilweise mit dicken Tauen durchzogen, an denen man sich unter ziemlichen Kraftaufbietungen nach oben ziehen konnte. Die Tour muss sich seit Veröffentlichung der uns vorliegenden Beschreibung (1995) ziemlich verändert haben. Die Stellen, welche zu klettern waren, hatten wenig mit dem zweiten und dritten Grad zu tun.
Später sicherten wir uns gegenseitig, da auch mal ein Seil fehlte, oder es zu heikel war, ungesichert zu klettern, da jeder Griff oder Tritt ohne weiteres nachgeben konnte.


Als wir den oben angesprochenen Turm überwunden hatten, begann ein langer Firngrat, dessen Beginn im unteren Bild zu sehen ist.


Teilweise war der Grat sehr schmal und es ging ziemlich steil in die Nordwand des Doldenhorns hinab. Am Ende eines weiteren sehr steilen Firnaufschwungs begann erneut eine Kletterei. Diese beschreibt Chuck in einem Auszug aus seinem Tourenbuch wie folgt:

„Nach einem ersten steilen Aufschwung erreichen wir die ersten Felsen. Wir machen an einer Stange Stand. Ich steige vor und erreiche einen Bohrhaken. Der Fels ist unglaublich schlecht. Mit dem Pickel versuche ich irgendwo etwas Halt zu finden, halte mich an der Expressschlinge fest und wuchte das rechte Bein nach oben. Der Fuß findet auf einem Gemisch aus Lockerschnee und Steinbrösel, das auf einer abschüssigen Felsplatte liegt, Halt. Vorsichtig bringe ich Gewicht auf das Bein, da ich am Pickel nicht zu fest ziehen will. Es hält alles und kurze Zeit darauf erreiche ich die Stange am Ende der Felsen.“


Nach einem letzten, teilweise durch eine Trittleiter gangbar gemachten Felsaufschwung wurden wir jedoch belohnt… und zwar mit dem 3643m hohen Gipfel, den wir bei bestem Wetter und einem umfassenden Panorama ganz für uns alleine hatten.


Es war 11:02 Uhr und wir hatten somit 6 Stunden und 17 Minuten für den Anstieg gebraucht.

Wir mussten nun „lediglich“ über den Normalweg (eine mäßig steile Gletscherrampe) wieder hinab ins Tal. Dazu liefen wir den Gletscher auf der Nordwestseite des Doldenhorns hinab und versuchten, an seinem Ende einen Weiterweg ins Tal zu finden. Dabei stiegen wir etwas zu weit nach Westen ab, was natürlich hinunter weniger anstrengend war als wieder hinauf, nachdem wir den Fehler bemerkt hatten.
Als wir den richtigen Weg gefunden hatten, schloss die geführte Seilschaft zu uns auf und überholte uns. Den weiteren Abstieg empfanden wir als ziemlich mies, da man anfangs den „Weg“ nur schwer finden konnte.


„Weg“ ist auch eigentlich nicht die richtige Bezeichnung für losen, steilen und rutschigen Schotter. Pfadspuren gab es nur weiter unterhalb, wo nicht mehr so viel Fels zerbröselte und die Begehungsspuren fast unkenntlich machte.

Nach einer Pause auf der Doldenhornhütte (1915m) setzen wir unseren Abstieg von insgesamt 2400 Höhenmetern fort und erreichten über grüne Wiesen und Waldpassagen das Tal gegen 18:00 Uhr.

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