Dienstag, 28. August 2007

Erkundung am Scheideggwetterhorn

Das Wetter war besser, als der Wetterbericht vorausgesagt hatte und so entschlossen wir uns, ein bisschen in die mögliche Zukunft zu investieren, und eine weitere Tour vorzubereiten. Diese Vorbereitung sollte sich erst einmal darauf beschränken, Informationen einzuholen, da wir uns noch nicht ganz sicher über eine mögliche Durchführung waren. Es handelt sich um eine Kletterei, die in unserem Führer unter anderem so beschrieben wird:

„Die 1200m hohe NW-Wand des Scheideggwetterhorns zählt zu den steilsten und schwierigsten Westalpenwänden… Die vollständige Begehung des Westpfeilers ist eine der anspruchsvollsten alpinen Freikletterrouten der Alpen. Für den Abstieg über den Gutzgletscher ist eine reduzierte Eisausrüstung notwendig.“

Man kann den Pfeiler auf dem folgenden Bild bewundern. Die anspruchsvolle Kletterei beginnt ungefähr auf einem Viertel der sichtbaren Wandhöhe an der rechten Seite und zieht sich dann schräg nach links der Kante folgend.


Die Route ist alpin abgesichert, man findet also nur selten geschlagenes Hakenmaterial und gar kein gebohrtes. Die Höhe der Wand von 1200m legt schon die Vermutung nahe, die der Führer so beschreibt: „Es muss mit einem Biwak gerechnet werden.“
Wir hatten uns schon bei der einen oder anderen Gelegenheit nach dieser Route erkundigt und unterschiedliche Antworten erhalten. In Interlaken trafen wir in einem Bergsportladen jemanden, der die Tour schon zweimal gemacht hatte. Er erklärte uns, man könne den Pfeiler an einem Tag durchsteigen und abends noch die Hütte erreichen: „Die Locals machen das alle an einem Tag.“ Aber als wir uns über das Wetter unterhielten, erzählter er uns auch noch von „Locals“, die gerade an irgendwelche Freikletterprojekte in der Nordwand des Eigers arbeiteten. Wenn das die gleichen „Locals“ sind, dann ist das schon ein anderes Kaliber.


In einem Sportladen in Meiringen hatten wir auch jemanden angesprochen, der uns die Telefonnummer eines befreundeten Bergführers gab, welcher uns Auskunft geben können sollte. Als wir wieder in dem Laden vorbeischauten, war er erleichtert zu hören, dass wir die Route noch nicht probiert hatten. Er hatte nämlich mit seinem Freund telefoniert und dieser hatte ihm von zwei weiteren Bergführern und deren Versuch an der Kante erzählt. Anscheinend waren die beiden Bergführer auch „Locals“, denn sie hatten die Tour ohne Biwak geplant. Leider gab es Schwierigkeiten mit der Findung der Route, was bei wenig vorhandenem Material und unübersichtlichem Gelände schnell passieren kann. Jedenfalls brauchten die beiden entgegen ihrer Pläne ein Biwak, was ungeplant schon sehr unangenehm sein kann.


Wir wollten uns erst einmal vor Ort alles ein wenig näher ansehen, bevor wir eine Entscheidung treffen würden. Man startet von der Großen Scheidegg aus. Einer Art Pass, der Meiringen mit Grindelwald verbindet. Mit dem Auto muss man außen um die Berge herumfahren, da die Straße nur für den Busverkehr freigegeben ist. Mit dem frühesten Postbus starteten wir von Meiringen aus zu unserem Ziel. Die erste Überraschung erlebten wir beim Fahrpreis. Hin- und Rückfahrt sollten für uns beide 128 Franken, also über 80 Euro kosten.


Von der Bushaltestelle balancierten wir durch nasses Gras über einen Hügelrücken zur Wand. Die ersten 150 Meter der Wand erklettert man relativ zentral, bevor man nach rechts zur Kante quert. Es handelt sich um 3er und 4er Gelände, das mit alten Seilen gesichert ist. Der Fels war noch nass und manche Stellen kamen uns ziemlich hart vor. Aus diesem Grund sicherten wir uns von Stand zu Stand. Einen dieser Stände sieht man im obigen Bild. Man verspürt wenig Lust, seine Qualität durch einen Sturz zu prüfen.
Als wir mit den ersten Metern Kletterei starteten, war es schon Vormittag und unsere Hände brannten vor Kälte an dem Fels. Wenn wir diese Tour versuchen würden, müssten wir diese Passagen jedoch entweder im Dunkeln mit der Stirnlampe oder mit dem ersten Sonnenlicht erklettern. Da wäre es sicher noch viel kälter.


Während wir auf einem großen Felsband nach rechts querten, wurde es Mittag und die Sonne kam herum. Auf dem obigen Bild sieht man im Hintergrund den Eiger, an dem noch eine ganze Menge Schnee klebt. Der uns zugewandte Grat ist normalerweise ein reiner Felsgrat, mit dem wir schon ein wenig geliebäugelt hatten. Bei solchen Schneemengen ist er jedoch fast unmöglich zu begehen und sehr heikel.


Obwohl im unteren Bereich der Wand am Scheideggwetterhorn kein Schnee mehr lag, empfanden wir unseren Weg auch schon als ein bisschen heikel. Im oberen Bild sieht man eine nicht so steile Stelle, an der wie überall eine Menge loses Geröll auf dem Boden liegt. Steinmänner zur Orientierung fanden wir äußerst selten und wir brauchten schon eine ganze Weile, um voranzukommen. Chuck hatte am Anfang noch gemeint, wir könnten ja vielleicht noch in die erste Seillänge einsteigen. Damit meinte er die erste Seillänge am Pfeiler. Diese sollten wir laut Führer so erreichen:

- die ersten 150m hoch (hatten wir gemacht, mit Sicherung, 3SL)
- 300m auf dem Band queren (siehe Fotos, 300m können lang sein)
- 50m absteigen (hatten wir auch gefunden)
- zum Fuß einer Verschneidung (durch steileres unübersichtliches Gelände)
- auf einem abschüssigen Band zur Kante queren

Den Fußpunkt der Verschneidung erreichten wir nicht mehr, da zu dem Zeitpunkt schon drei Stunden um waren und wir wieder zurück mussten, um den letzten Postbus zu erwischen.
Wir hatten nicht erwartet, so lange für die „ersten Meter“ vor den eigentlichen Schwierigkeiten zu brauchen. Das Gelände war unwegsam und eine Fortbewegung darin forderte ziemlich viel Konzentration sowie ein gutes Auge für den Weg. So mussten wir merken, dass wir dieses Stück der Tour schon unterschätzt hatten und uns ernsthaft fragen, ob wir dieser Tour überhaupt gewachsen sind.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

super Jungs!!!
War wahrscheinlich besser so.
gehts doch lieber wndern oder werdets Literaten